VII: Greenovatoren und Boost-Seekers: Oder wer fährt eigentlich elektrisch?
Von Dr. Manfred Josef Pauli, 06. Oktober 2011
Zirka 1300 batterieelektrische sind zum Zeitpunkt Oktober 2011 in der Schweiz immatrikuliert. Weniger als die Hälfte davon sind Grossserienelektroautos wie der i-MiEV oder der C-Zero. Der viel beachtete und prämierte Leaf kommt in der Schweiz erst ab November auf die Strasse.
Wer ab stecken hinter den 1300? Wer also fährt eigentlich jetzt und hier elektrisch? Und viel wichtiger, wer fährt morgen und übermorgen mit diesen Autos? Jede und jeder scheinen es ja nicht zu sein, angesichts von 4 Millionen privater PKW zwischen Genf und St. Margarethen. Wer aber genau, darüber machen sich zunehmend die verschiedenen Akteure Gedanken – die Automobilhersteller, die wissen wollen, wie viele Fahrzeuge sie für die Schweiz produzieren wollen und sollen, die Elektrizitätsunternehmen, die den Markt der Ladeinfrastruktur gerne besser kennen würden, um abzuschätzen, wieviel sie wie schnell investieren sollen, aber auch Garagisten, Importeure, Patrouilleure und nicht zuletzt die forschenden Zünfte.
Letztere kommen dabei auch aus unterschiedlichen Teildisziplinen und dementsprechend unterschiedlich ist das Vokabular, mit denen sie die möglichen und zukünftigen Käufer beschreiben und kategorisieren. Die „Early Adoptors“, die frühen Anwender, haben es nebst dem Marketing schon fast in den allgemeinen Wortschatz geschafft. Sie müssen immer her halten, wenn neue Technik auf den Markt kommt, sie sind schliesslich per definitionem offen für neues, mutig auch unausgereiftes zu testen und von Pannen nicht unterzukriegen. Das dieses Modell von Herrn Everett Rogers in den 60-er Jahren entwickelt, davor noch die Gruppe der Innovatoren gesetzt hat, ist weniger gut bekannt, und immerhin sind die Innovatoren 2,5% der Gesellschaft. Die 1300 Fahrzeuge sind gemessen am Fuhrpark gerade mal 0.0325%. Wenn alle 2,5% erschlossen sind, dann fahren 100.000 Fahrzeuge auf den Schweizer Strassen. Heute sind als Einzelpersonen wirklich sehr enthusiastische Freunde mit E-Autos unterwegs.
Doch unabhängig von diesen Zahlen, den „Innovator“ oder „Early Adoptor“ als solches gibt es ja nicht als genau zu beschreibendes menschliches Exemplar. Also bemühen sich vor allem die Marketingspezialisten, diese Gruppen besser einzuordnen. Gemacht wird dies mit Befragungen, Feldversuchen, Analogien und derlei Methoden mehr. Heraus kommen dann wie beim „Kompetenzzentrum Auto&Frau“ vom Niederrhein Gruppen wie „Young Family Innovators“, bei denen das Elektroauto die verantwortbare Alternative für das Vielfahren vielbeschäftiger Familien ist, die „Greenovatoren“, die weltläufigen prestigeaffinen Ökobewussten, denen auch ein schickes Design mal den Kauf erleichtert, die „Boost-Seeker“, zahlungbereite Gernfahrer, denen das E-Auto einen Kick gibt, weil es neu, trendy und innovativ ist, bis hin zu den „Informierten Silver Drivern“, der kaufkräftigen älteren Generation, denen die Bewahrung der Umwelt Lebensinhalt und Motivation ist, die aber ohne Mobilität nicht das ganze vielfältige Leben unter Dach und Fach bekommen.
Bei all dieser Differenzierung wird es wohl noch eine Menge Marketingleute beschäftigen, das Elektroauto an die Frau und den Mann zu bekommen. Dabei ist die Situation des Jahres 2011 und wohl auch der beiden Folgejahre noch stärker vom Mangel geprägt: einem Mangel an verfügbaren Fahrzeugen (durch die hinterherhinkende Batterieproduktion) und damit verbunden, der mangelnden Präsenz elektrischer Fahrzeuge im Alltag auf den Strassen und in den Quartieren.
Eine Bestätigung all der Kaufthesen wird damit erst eintreten, wenn genügend Fahrzeuge unterwegs sind. Es wird davon ausgegangen, dass dies ab 2017 in grösserem Rahmen möglich sein wird. Dabei kann jetzt aber die Zeit bis dahin genutzt werden für andere wichtige Dinge: mit dem aktuellen Fahrzeugbestand verschiedenste Alltagstests machen, den Flotteneinsatz dieser Fahrzeuge für verschiedene Anwendungen (innerbetrieblich, Kundendienste, CarSharing) ausprobieren und die Ladeinfrastruktur schrittweise an die wachsenden Bedarfe anpassen und gleichzeitig dabei aus ihrem Gebrauch lernen.
Ob nun junge Greenovators oder silbrige Boost-Seekers – sie beide sind jetzt noch nicht in grosser Zahl Kunden der elektromobilen Zukunft, aber stehen vielleicht in den Startlöchern. Jetzt sollen vor allem Flottenbetreiber die elektrischen Autos, die verfügbar sind, rege nutzen und mit ihrer Präsenz auch den anderen Zielgruppen zeigen, wie praktisch und unkompliziert diese Art der Fortbewegung ist. Denn das praktische Erleben ist immer noch das schlagendste und überzeugendste Kaufargument – für early adoptors ebenso wie für Zauderer und Zögerer.
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