II: Die Reichweite – Von der Angst zur 40 Kilometer-Realität
Von Dr. Manfred Josef Pauli, 18. Januar 2011
Ein neues Wort hat es in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft – die Reichweitenangst. Oder wer es englisch mag, die range anxiety. Noch tüftelt die Sprachforschungsgemeinde über die genaue Definition, im elektromobilen Umgang ist es aber klar: Es geht um die Sorge der Menschen, dass die Batterie in ihrem Elektroauto nicht für ihren Fahrgebrauch reicht. Und damit um all die Ängste, die ein leergefahrenes Auto erzeugen kann, Stunden am Strassenrand stehen und auf die gelben Engel zu warten, grinsende mitleidshaschende Autofahrer, die an einem vorbeirasen oder in der wilden Pampa schutzlos den Kräften der Natur ausgesetzt sein, weil vergessen wurde, das Stromkabel nachts noch ins Auto zu stecken. Hollywood wäre vermutlich um manchen Streifen ärmer, hätte es nicht immer den leeren Tank für alle möglichen amourösen Abenteuer einsetzen können. Doch die Leertanklust wäre dann wohl doch ein zu gewagtes Wortspiel ...
Doch um was geht es denn genau bei der elektromobilen Reichweite und den möglichen Ängsten davor? Was bei den Juristen ein Blick ins Gesetz bewirken kann, nämlich Klarheit, kann beim Verkehr ein solcher in die Statistik tun. Demnach ist in der Schweiz laut Mikrozensus 2000/2005 unsere tägliche Fahrdistanz bei 38 Kilometer. Für Deutschland wurden ähnliche Werte ermittelt, dort sind laut Mobilitätsstudie MID 80% der Fahrten unter 40 Kilometer. Lediglich an manchen Wochenenden und natürlich im Urlaub überschreiten wir diese Grenze. Die heute bereits erhältlichen elektromobilen Kleinserienfahrzeuge und die gerade im Rollout befindlichen „Massenfahrzeuge“ weisen Reichweiten zwischen 120 und 150 Kilometer auf, selten darunter, meist darüber.
Es ist dabei schon richtig und wichtig zu erwähnen, dass das Fahren über Berg und Tal, das Fahren bei bitterer Kälte oder mit ständigem Stopp-and-Go die Batterieleistung senken kann. Sehr nahe an die 40 Kilometer gelangt so eine Batterie und damit das Fahrzeug allerdings nicht. Auch Tests im hügeligen Stuttgart (topographisch vergleich mit Zürich oder Lausanne) haben immer noch sichere 70 Kilometer geliefert.
Woher kommt also die Reichweitenangst? Von den noch bestehenden Unsicherheiten bei der Schnellladung als üblicher Tankvorgang? Vor dem allgemeinen Misstrauen gegenüber der neuen Technologie Elektromobilität? Womöglich wegen des Einflusses dunkler Verbrennungsmotorgiganten, die solche Ängste schüren?
Die Antwort dürfte viel banaler, aber weniger schmeichelhaft sein: Wir überschätzen schlicht unser tägliches Kilometerpäckchen. Wann immer, und zur Zeit wird das wegen der range anxiety sehr regelmässig gemacht, Leute nach ihrer Einschätzung über den täglichen Kilometerkonsum befragt werden, schnellen die Werte in die Höhe - zuletzt bei einer Umfrage des TÜV Rheinlands, bei der knapp 98% meinten, sie führen täglich bis zu 150 Kilometer (was im übrigen für 2,7% zutrifft).
Im Alltag also braucht uns keine Reichweitenangst befallen, hier liessen sich schon jetzt Elektrofahrzeuge bestens einsetzen. Für alle darüber hinausgehenden Ansprüche wie Urlaubsfahrten oder der Spontancafé an der Côte d’ Azur gibt es Alternativen, sie heissen z.B. öffentliche Verkehrsmittel oder CarSharing.
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